Rückblick auf das Meisterschaftsfinale 1980/81

Veröffentlichungsdatum13.06.1981Lesedauer4 Minuten

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Zwettl und Amaliendorf mit einem kuriosen Finish

von HR Mag. Wolfgang Steinbauer

Zur Vorgeschichte
Nachdem wir in der Spielsaison 1979/80 von der Unterliga NW Waldviertel (entspricht der heutigen Gebietsliga) in die Oberliga West aufgestiegen waren, erreichten wir in der Herbstsaison immerhin den 3. Platz. Gansbach lag vor VSE St. Pölten in Führung. Zur Mitte der Frühjahrsmeisterschaft, ab der 19. Runde, übernahmen wir unter Spielertrainer Franz Fegerl aber dann die Führung in der Tabelle. Nicht weniger als sechs Vereine waren nur durch drei Punkte getrennt. (Anmerkung: Damals gab es für einen Sieg noch zwei Punkte, für ein Remis einen Punkt.) Ab der 22. Runde rückte Amaliendorf als Zweiter in der Tabelle mit nur zwei Zählern Rückstand gefährlich nahe. Dann leisteten wir uns vier Runden vor Saisonende gegen VSE St. Pölten auswärts eine 1 : 0–Niederlage, Amaliendorf siegte auswärts. So waren die beiden Waldviertler Rivalen punktegleich, was bis zur letzten Spielrunde so blieb.

Der Tag vor dem „Finale Grande“
Es musste also der allerletzte Spieltag die Meisterschaft entscheiden: Zwettl und Amaliendorf hatten je 36 Punkte auf dem Konto. Wir verfügten allerdings um das um sechs Tore bessere Torverhältnis und lagen noch immer an der Tabellenspitze. Zur Visualisierung: Zwettl (36 Punkte, Torverhältnis 51 : 26), Amaliendorf (36 Punkte, Torverhältnis 46 : 27). „Wenn wir das Heimspiel gegen Hausmening mit zwei bis drei Toren Unterschied gewinnen, …“, so unsere Rechnung. Was sollte da noch passieren? Im Vorfeld dieses Duells gab es die wildesten Gerüchte, denn der Fixabsteiger Schrems gastierte in Amaliendorf. Von „Nachbarschaftshilfe“ war da die Rede. Aber bei diesem besseren Torverhältnis?

Der Tag der Entscheidung
Am Vormittag traf ich noch einen sehr guten Freund, der bei Schrems in der Kampfmannschaft spielte. Der versicherte mir mit dem Hinweis auf unsere Freundschaft, dass er von „bestimmten Machenschaften“ im heutigen Spiel nichts wisse und er dem auch nicht zustimmen werde. Wer sollte schon zugeben, dass die Schremser den Amaliendorfern in Form von „Nachbarschaftshilfe“ zum Meistertitel verhelfen wollen? Aber unser Vorstand wollte natürlich nichts dem Zufall überlassen: Ein eingefleischter Zwettler Fan, Walter(?) „Putti“ Kröpfchen, bot sich als Spion an und fuhr mit seinem Funkgerät nach Amaliendorf. Von dort wollte er einen befreundeten Funker in Zwettl kontaktieren, der uns wiederum den aktuellen Spielstand des Lokalderbys ins Zwettltalstadion zurückmelden sollte. (Anmerkung für unsere jüngeren Leser: Damals, im Sommer 1981, gab es kein Handy und auch das Wort „Internet“ war ein Fremdwort. Ob der kleine Ort Amaliendorf in der Zeit überhaupt eine öffentliche Telefonzelle verfügte, konnte ich nicht mehr eruieren.) Wir hatten jedenfalls einen verlässlichen Spion ins „Feindesland“ geschickt, der brandaktuell informieren sollte.
Zur Pause kam von „Putti“ die erste Meldung: „Alles ruhig und unverdächtig! Amaliendorf führt 1 : 0“. Wir führten zur Pause (gegen Hausmening) 2 : 0 (oder gar 3 : 0?). Die erste Vorfreude auf einen weiteren Meistertitel zum Greifen nahe! Was wir allerdings nicht wussten: Unser Spion wurde von Funktionären und Zuschauern erkannt – ein Funkgerät war damals natürlich etwas Besonderes – und er wurde, wie wir erst nach dem Spiel erfuhren, von seinem Posten des Sportplatzes verwiesen. Und das aus gutem Grund! Ende des Spiels im Zwettltalstadion: 6 : 0 für Zwettl. Heinz Grassmann erzielte in seinem Übereifer nur wenige Minuten vor Schluss diesen 6. Treffer, obwohl es vom Gegner praktisch keine Gegenwehr mehr gab und wir bereits in Feierlaune waren. Wir tadelten Heinz sogar noch und meinten, dass dieses Tor jetzt aber nicht mehr notwendig gewesen sei. Das Ergebnis unseres unmittelbaren Gegners interessierte uns nach dem Spiel eigentlich (vorerst) herzlich wenig, denn unserem Verständnis nach war nach einer 1 : 0-Pausenführung dieses Torverhältnis nach menschlichem Ermessen nicht mehr aufzuholen. Dann jedoch traf die Hiobsbotschaft aus Amaliendorf ein, und wir glaubten anfangs an einen Scherz: 11 : 0 für Amaliendorf. Die ersten Schnellrechnungen wurden im Kopf angestellt: „Wir haben die Meisterschaft um ein Tor verspielt!“ Gott sei Dank lag ein Rechenfehler vor, denn die Torverhältnisse hatte jeder von uns doch nicht so parat. Es war umgekehrt: Zwettl (57 : 26), Amaliendorf (57 : 27). Die mehr als turbulente Meisterfeier gipfelte, wie damals Tradition, in einer Abkühlung in der Zwettl.

Was wir Spieler und Zuschauer erst nachher realisierten und erfuhren!
Hätte Heinz Grassmann kurz vor Schluss nicht das 6. Tor für uns erzielt, wären wir in der Tabelle auf den zweiten Platz gerutscht, weil Amaliendorf bei gleichem Torverhältnis allerdings um einen Treffer mehr geschossen hätte. Rechnen Sie selbst nach! Es ist ja fast nicht zu glauben. Wie der Verband dann entschieden hätte? Darüber kann man nur Spekulationen anstellen, denn die NÖFV beließ es bei diesem mehr als „eigenartigen Ergebnis“, weil es ja sowieso keine Konsequenzen hatte. Augenzeugenberichten zufolge holten in Hälfte 2 die Schremser Spieler nach jedem erzielten Treffer Amaliendorfs das Leder schnell aus dem eigenen Tor, liefen damit zur Mittelauflage, um ja keine Zeit zu verlieren. In jedem Fall waren Schrems und Amaliendorf monatelang die Lachnummer im gesamten Waldviertel, wahrscheinlich sogar Niederösterreichs.
Ja, und was geschah mit meinem Freund, dem Leihspieler bei Schrems, der wirklich von dieser „Nachbarschaftshilfe“ keine Ahnung hatte? Als er in der 2. Halbzeit die „Überlegenheit der Gastgeber“ bemerkte, begab er sich laut schimpfend noch während des Matches in die Kabine und verließ nach dieser Saison den Verein. Wir sind bis heute weiterhin gute Freunde.